2023 droht "Horrorjahr" für Autoindustrie: Absatz sinkt auf niedrigstes Niveau seit Jahren
Lieferketten stocken, Fertigungsbänder stehen still: Die weltweite Produktion und der Verkauf von Autos sinkt in diesem Jahr einer Studie zufolge auf das niedrigste Niveau seit mehr als zehn Jahren. Für Käufer sind das keine guten Nachrichten. Die Hersteller dagegen profitieren von dem Mangel.
Weltweit verkaufen Autohersteller in diesem Jahr wohl so wenige Neuwagen wie seit mehr als zehn Jahren nicht mehr. Einer Studie des Duisburger Centers Automotive Research (Car) prognostiziert einen Einbruch des globalen PKW-Absatzes auf 67,6 Millionen Fahrzeuge. Das sind über fünf Prozent weniger als noch im vergangenen Jahr und rund ein Viertel weniger als im bisher besten Jahr der Branche 2017. Weniger Autos wurden zuletzt 2011 verkauft. Grund für den Rückgang sind laut Studienautor Ferdinand Dudenhöffer die gestörten Lieferketten. "Der Automarkt weltweit ist schwer getroffen", sagt Dudenhöffer ntv. Fehlende Zulieferteile hätten die Produktion teils lahmgelegt. "Autos sind Mangelware geworden."
Dieser Mangel schlägt sich in deutlich gestiegenen Preisen wieder. "Wir sehen schon Preissteigerungen bei einzelnen Autobauern und das wird weitergehen", so Dudenhöffer. Die seit Jahren üblichen Rabatte für Neuwagenkäufer seien so niedrig wie seit Jahren nicht mehr. Die Verhältnisse auf dem Automarkt hätten sich vollständig umgekehrt: "Bisher war auf dem Automarkt immer der Kunde König", sagt Dudenhöffer, "jetzt sitzt der Verkäufer am längeren Hebel".
Die Hersteller nutzen die Situation, um gestiegene Kosten für Material, die Inflation, aber auch die Produktionsstillstände auf die Kunden abzuwälzen. Deshalb sei die aktuelle Lage hauptsächlich für die Kunden, weniger für die Unternehmen ein Problem. "Die jüngsten Zahlen der Unternehmen haben gezeigt, dass die Autobauer trotz allem nach wie vor gutes Geld verdienen", so der Autoexperte. Nachdem die Branche jahrelang unter hohen Überkapazitäten und einem teils ruinösen Preiskampf litt, nutzen die Hersteller die Lage nun, "um ihre Kostensituation in Ordnung zu bringen".
"Horrorjahr 2023"
Der Auto-Mangel sei nicht nur bei Neuwagen zu spüren. "In gesättigten Automärkten wie Deutschland werde beim Kauf eines Neuwagens der Gebrauchte abgegeben", schreibt Dudenhöffer. Bricht der Neuwagenabsatz ein, sinkt damit auch das Gebrauchtwagen-Angebot. So sei im April die Zahl der Gebrauchtwagen-Anmeldungen um zwölf Prozent im Jahresvergleich gesunken.
Ursache für diese "Unordnung" auf dem Automarkt ist laut Dudenhöffer das Zusammentreffen gleich mehrerer Krisen. Bereits seit mehr als einem Jahr sind vor allem Halbleiter knapp. Dazu kommen jüngst die harten Lockdowns in China, die Teile der Industrie über Wochen lahmlegten, in großen Häfen stauen sich die Schiffe, und blockieren wichtige Handelsrouten.
Eine schnelle Lösung dieser Probleme ist laut Dudenhöffer nicht in Sicht. 2023 könnte ein "Horrorjahr" für den Automarkt werden, da zu den Angebotsproblemen eine zurückgehende Nachfrage komme aufgrund der schwachen Konjunktur und sinkender Einkommen. Erst 2023 oder 2024 dürften die Lieferketten wieder weitgehend ungestört laufen. "Dann fällt der Automarkt wieder in sein altes Muster zurück", prophezeit der Ökonom. Das bedeute: "Viele Fahrzeuge, viele Autobauer, die um weniger Kunden buhlen. Dann werden die Rabatte und Preissenkungen wieder zurückkommen."
Studie: Lage in Autoindustrie trotz guter Zahlen "extrem angespannt"
Die Lage der Autobranche ist der Beratungsgesellschaft EY zufolge weniger rosig als Kennzahlen von Herstellern vermuten lassen. So gerate der Verkauf von Neuwagen in China wegen den dortigen Corona-Lockdowns unter Druck. Das berichtete EY (Ernst & Young) in einer Studie zu den Geschäftszahlen der 16 weltweit größten Autokonzerne. Unter ihnen sind Volkswagen, Mercedes-Benz und BMW.

China ist für die drei deutschen Konzerne der größte Einzelmarkt. "Ein Ende der rigorosen Corona-Politik der chinesischen Behörden ist noch nicht absehbar, daher drohen hier weitere Absatzrückgänge in den kommenden Monaten", warnte EY-Branchenberater Peter Fuß. Der Verkauf von Autos an Verbraucher war laut chinesischen Branchenangaben im April im Vergleich zum Vorjahresmonat um 35,7 Prozent eingebrochen.
Umsatzrendite: Tesla vor Mercedes
Große Hersteller verkauften weltweit von Januar bis Ende März im Vergleich zum Vorjahreszeitraum im Schnitt zwar weniger Autos. Doch Unternehmen verdienten meist besser, wie die Studie ergab. Bei der Umsatzrendite, bei der Umsatz und operativer Gewinn in Beziehung gesetzt werden, lag der US-Elektroautobauer Tesla mit 19,2 Prozent klar vorne. In der Rangliste der Branchengrößen folgen Mercedes-Benz mit 15 Prozent, Volkswagen mit 13,3 Prozent und BMW mit 10,9 Prozent.
"Die nackten Zahlen zum ersten Quartal sind hervorragend, die tatsächliche Lage in der Autoindustrie ist hingegen extrem angespannt", resümierte der Leiter der Mobilitätssparte Westeuropa bei EY, Constantin Gall. Vor allem Hersteller von Oberklassefahrzeugen profitieren demnach von einer Ausnahmelage: Angesichts des Chipmangels werden Halbleiter vor allem in große und teure Wagen eingebaut. Gleichzeitig gibt es kaum noch Preisnachlässe, da die Nachfrage hoch ist.
An einigen Unternehmen gehe der Gewinnboom allerdings vorbei, betonte Gall. Die Hälfte der untersuchten Hersteller melde für das erste Quartal eine Marge von unter sechs Prozent. "Die Autokonzerne haben im ersten Quartal so viel Gewinn gemacht wie nie zuvor. Allerdings entfiel die Hälfte des Gesamtgewinns auf die Top-3-Verdiener."
Toyota und Ford verlieren deutlich
Wie aus dem 14 Konzerne umfassenden Ranking hervorgeht, ist die Marge von Toyota im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 9,0 auf 5,7 Prozent geschrumpft. Ford verzeichnete einen Rückgang von 8,5 auf 5,2 Prozent. Am Ende der Liste finden sich Suzuki (4,5 Prozent), Mazda (4,2 Prozent) und Nissan (2,5 Prozent).
Krise in der Automobil-Industrie: Droht Audi tatsächlich das Aus?
Krise in der Automobil-Industrie: Droht Audi tatsächlich das Aus?
Von: Kathrin Kuna
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Audi-Vorstandsmitglied Hildegard Wortmann äußert Zweifel daran, ob es eine Zukunft für das Unternehmen gibt. © Audi AG
Die Lage der deutschen Automobilindustrie bleibt weiter angespannt. Hohe Energiepreise, Materialmangel und Inflation machen den Herstellern zu schaffen. Laut Audi-Vorstandsmitglied Hildegard Wortmann steht die Existenz des Unternehmens auf der Kippe.
Die deutsche Automobil-Industrie hat während der Corona-Pandemie stark gelitten und scheint sich angesichts der anhaltenden Krisen nur schwer zu erholen. Wie das Handelsblatt berichtet, ist der Pkw-Absatz im September und Oktober zwar wieder gestiegen, allerdings sei deshalb noch lange keine Trendwende zu verzeichnen. Vielmehr würden die Hersteller momentan ihre hohen Auftragsbestände abbauen, der sich durch den Materialmangel ergeben hat. Immer wieder standen in der Pandemie die Bänder still, auch bei Audi in Neckarsulm wurden Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt.
Vorstandsmitglied Hildegard Wortmann: „Es gibt eine 50-Prozent-Chance, dass es Audi in zehn Jahren noch gibt.“
Die schwierige Lage betrifft auch den Audi-Konzern und damit einen wichtigen Arbeitgeber in der Region Heilbronn/Neckarsulm. Vorstandsmitglied Hildegard Wortmann greift zu drastischen Worten. In dem Podcast „Chefgespräche“ der WirtschaftsWoche berichtet sie von einem Auftritt auf einer Händlertagung im Jahr 2020. Damals hatte sie die Anwesenden mit einer düsteren Prognose schockiert: „Es gibt eine 50-Prozent-Chance, dass es Audi in zehn Jahren noch gibt“, sagte sie damals.
Auch heute würde sie diese These wiederholen, sagt Hildegard Wortmann in dem Podcast weiter. Es stellt sich die Frage: Steht Audi vor dem Aus? Das würde viele Arbeitnehmer betreffen, immerhin arbeiten insgesamt 2,2 Millionen Menschen in Deutschland in diesem Industriezweig.
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Düsterer Blick in die Zukunft von Audi: „Fundamentale Veränderungsnotwendigkeit“
Die deutschen Autohersteller stehen vor einer tiefen Krise. Neben den drängenden Forderungen nach mehr Klimaneutralität durch E-Mobilität erschweren die hohen Energiepreise, der Chip-Mangel und die Inflation das Geschäft. Das bekommt auch Audi zu spüren. „Wir sehen erste Wolken aufziehen, was die Absatzentwicklung angeht“, erklärt Hildegard Wortmann gegenüber der WirtschaftsWoche.
Es gebe für Westeuropa zwar „prall gefüllte Auftragsbücher mit 1,9 Millionen Fahrzeugen im Auftragsbestand“, so Wortmann. Aber: Der Auftragseingang für den Bereich VW Westeuropa sei zugleich um 15 Prozent zurückgegangen. Audi müsse sich angesichts dieser schweren Lage noch schneller ändern, so das Audi-Vorstandsmitglied, „sonst sind wir einfach weg vom Fenster.“ Sie spricht von einer „fundamentalen Veränderungsnotwendigkeit“.
Viel Trubel in den Chef-Etagen von Audi: Erst kürzlich hat Audi-Chef Duesmann mit seiner Meinung zu Tempolimits überrascht.